Kunst ist nicht wirklich alles, aber ohne Kunst ist alles nichts. Mit kreativen Konzepten aus der Krise. Außer Haus oder vielleicht to go?

                                        DER HÄCKSLER

Andreas Petzold (PAN) ist der Häcksler

 

Seine Arbeit ist die Dekonstruktion, das Auseinandernehmen und wieder Neuzusammensetzen von Vorhandenem. Geschaffen werden komplett neue und irritierende Blickfelder. Blickfelder in zerstörte, theoretische Kunst. Geschreddert und gehäckselt werden nämlich ausgesuchte Texte, Kunst-Kritiken und Zitate vornehmlich aus Kunstzeitschriften, aktuellen Corona-Verlautbarungen und eigene Arbeiten, deren Mindesthaltbarkeit durch Corona abgelaufen sind und Neuem weichen müssen, da sie sowieso vom Publikum öffentlich nicht gesehen werden können. Außer online vielleicht. Und das schafft nur virtuelle Realität, die ja wohlwissend in der Zwischenzeit selbst zur Kunst wurde. Bleibt noch unsere Sprache als Kommunikationsmittel. Und die eignet sich als Synonym für Kunst. Im Dadaismus, der ja ursprünglich sich als ein „Protest“ gegen die Gesellschaft und gegen die vorherigen Kunststile positionierte. Für die Dadaisten stand die Provokation im Vordergrund. Als Provokation kann man sicherlich nicht die aktuelle Sprachentwicklung in einem gesellschaftlichen Großereignis, wie der Pandemie, bezeichnen. Als sprachlichen Dadaismus erscheinen aktuell allerdings darüber hinaus Worte wie „Hygienekonzept“, „Epidemiologie“, „Spuckschutz“, „Superspreaderereignis“, „Wellenbrecherlockdown“ und  „Zoomparty“ oder „Impfstraße“.

Neben dem Medium Sprache drückt sich Dada auch in künstlerischen Prozessen aus und ging/geht hier neue Wege. Die Collagentechnik entstand und fand gerade  mit Kurt Schwitters einen Höhepunkt innerhalb des Dada. Am Rande sei hier bemerkt, das Dadakünstler mit ihren Werken und der Absicht den Betrachter provokativ anzusprechen und zu irritieren, wichtige Eckpunkte für das damals noch junge Medium „Werbung" setzen. Das Medium Werbung wurde für die Industrie und Wirtschaft immer wichtiger und greift in den 1930er Jahren gerne auf die Erfahrungen der Künstler zurück.

 

Mit liebevollem Genuss zerlegt PAN dadaistisch so manche Kritik, Skizzen, Entwürfe und fertige Arbeiten auf Papier und Pappe und macht aus dem Nichtgesagtem, Nichtgezeigtem, Überzogenem oder scheinbar falsch Interpretiertem Neues. Ähnlich der Corona-Wortschöpfungen, wie oben zitiert.

Das Ergebnis sind Säcke voller Schnipsel, die die Grundlage der weiterführenden künstlerischen skulpturalen Arbeit bilden. Aus einer Fülle von fotografischen Ideen und Skizzen entstehen erste Versuche einer Neugestaltung von Bildern und Objekten, deren einziges Ziel es ist die Irritation im Auge bzw. des Gehirns des Betrachters zu erzeugen. Die Irritation wird deshalb ausgelöst, da der Häcksler seine Bildideen als klassisches Tafelbild wieder auf Leinwand präsentiert oder in neuer Umgebung als Objektskulptur zu einer völlig neuen Sichtweise kommen läßt.  Aktuell gibt es Gehäckseltes in Weck-Gläsern im Lockdown-Modus außer Haus.

Freuen Sie sich, wenn der „Häcksler“ demnächst in Ihrer Nähe zuschlägt, denn gerade die kleinen Player sind – wie damals die Wurzeln des Dadaismus - für das Kulturleben wichtig. Genauso wichtig wie die Großen. Sie zeigen oft eindringlicher als sie, was Kultur ausmacht: Leidenschaft, Engagement, Mut. Dafür brauchen sie das, was man ihnen jetzt per Verordnung nimmt: die Freiheit, auch dann Kunst zu machen, wenn Krise herrscht – aber Kunst, Kultur und Kommunikation vielleicht umso wichtiger wäre. «Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit», soll Karl Valentin gesagt haben. Ganz falsch ist das nicht. Aber es ist nicht alles. Kunst ist nicht immer schön, und vielleicht ist es auch gar nicht ihre wichtigste Aufgabe, schön zu sein. Nur, ob schön oder nicht: Kunst kostet. Und man kann sich fragen, ob das Geld dafür sinnvoll ausgegeben ist. Das wiederum ist einen Dialog wert.

 


 

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© Andreas Petzold #KUNSTEINS 2023