Quo vadis, Föhr?
Nieblum, 13.02.2022
Kann Kunst Impulse setzen?
Als ich 1988 das erste Mal als Gast auf die Insel kam, war es so, wie es der Filmbeitrag unter https://vimeo.com/147005107 dokumentiert. Tante Hertha und Kurt haben mir und meiner Familie damals so manchen Rum, Grog und Aufgesetzten im Winter serviert und Heimat vermittelt, während im Hintergrund die Musikbox Hans Albers und Lale Andersen spielte. Heute ist "Glaube-Liebe-Hoffnung" in den Händen von Franco und er macht „Sein Ding“, wie es immer wieder Udo Lindenberg singt. Viele, die heute zum ersten Mal nach Föhr kommen, werden „Glaube-Liebe-Hoffnung“ als "Original" empfinden, staunen und mit Freude die Idee als „Place to be“ mit nach Hause nehmen, um beim nächsten Aufenthalt auf Föhr hoffentlich wieder dort einzukehren und sich zuhause fühlen. Für mich hat es allerdings mit der Renovierung, der Auslagerung der ursprünglichen maritimen Dekoration, der Geschäftsübernahme und dem neuerlich zusätzlichen Fernsehangebot (Sky-Fußball) an Ursprünglichkeit und Charme verloren.
Ich erinnere mich auch noch an die kurzen Begegnungen mit dem Maler Gustav Mennicke https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Mennicke, dessen Lebensweg bis nach Goting auf Föhr von Veränderung geprägt war! Und natürlich auch die „lauten“ Dialoge mit Enzian Calvados in Oldsum. https://www.shz.de/lokales/insel-bote/zu-besuch-in-der-bunten-zauberwelt-von-marys-haus-id678046.html Ebenso die herzlich laut lachende Helga Feddersen, die ebenfalls in Goting anzutreffen war. Und natürlich erinnere ich mich gerne an meinen Kollegen Axel Gerhard (DAX) aus Midlum, der immer wieder mit seinen musikalisch-malerischen und von Emil Nolde inspirierten Soirées auf der Insel für kulturelle Abwechslung gesorgt hat. Aber auch herzlich und immer pfeifend oder einem Lied auf den Lippen, Hardina Brett, die in den späten 80er Jahren die Poststation in Nieblum leitete und den Aufenthalt im kleinen Raum trotz Sicherheitsscheibe mit gelassener Freundlichkeit versüßte, wenn es mal wieder etwas länger dauern sollte. Da wurde oft so manche Postkarte zusätzlich geschrieben, weil die Stimmung so warmherzig war!
https://vimeo.com/173487273 Der Beitrag des NDR aus Panorama 3 vom Oktober 2012 zum Thema "Reiche verdrängen die Insulaner" auf der Nordseeinsel Föhr, zeigt allerdings auch die andere Seite der Geschichte. Und auch die Auswanderung der Föhrer ist Teil der Veränderungen, die wir – auch ich – aktuell als Abwanderung sehen. Siehe hierzu: https://vimeo.com/155363558
Seit fast 35 Jahren erkenne ich Veränderungen, die von vielen aus heutiger Sicht - gerade von Einheimischen aber auch von Touristen und Zweithausbesitzern - als Belastung und Bedrohung gesehen werden. Seitdem es Menschen gibt, gibt es Veränderung in vielleicht langen und auch immer wiederkehrenden kurzen Intervallen. Allein die Walfanggeschichten zeugen von einer radikalen Veränderung in ihrer Zeit. Der vorindustrielle Walfang war die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg für viele Föhrer, für deren Mythos nicht nur die sprechenden Grabsteine stehen, sondern auch die Geschichten über Matthias Petersen (1632 bis 1706), der mit seiner Mannschaft 373 Wale erlegt haben soll und als der "Glückliche Matthias" in die Annalen einging und schließlich die Biographie Jens Jakob Eschels. Die Lebensbeschreibung des auf der Insel Föhr geborenen Jens Jacob Eschels (1757-1842) setzt bereits mit seiner Kindheit ein und umfasst annähernd 70 Jahre. Als Elfjähriger ging Eschels zur See und bereits im Alter von 24 Jahren wurde er Kapitän. Seine Reisen führten ihn u. a. mit dänischen Walfängern ins Nordmeer und nach Grönland, als Handelsfahrer nach Westindien, Russland und ins Mittelmeer. Später wird er Tabakfabrikant und Sachverständiger in Schifffahrtsfragen. Als eine der frühesten deutschen Kapitäns-Autobiografien ist sie gleichzeitig eine Darstellung von radikalen Veränderungen der Lebenswirklichkeit seiner Zeit.
Als die Zeit des Walfangs Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Zenit überschritten hatte, fing die Zeit der Auswanderungen und damit erneuter Veränderungen an, denen man sich damals stellen musste. Es war die Zeit, sich nach neuen Einnahmequellen umzuschauen. „Die Zukunft von Wyk hatten auch einige Frauen und Männer des Fleckens um 1819 fest im Blick. Krieg, das Ende des ertragreichen Walfangs und eine nur wenig Erfolg versprechende Handelsschifffahrt hatten Wyk nach 1800 in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht: „Handel und Gewerbe lagen trostlos danieder, denn die Kaufkraft der Einwohner war gering. … Die Straßen und Wege konnten nicht mehr gepflegt werden. Die Häuser verfielen. … Die Abwanderung nach dem Festland nahm rasch zu.
Am 15. Juli 1819 wurde deshalb aus der Mitte der Bürgerschaft heraus das Seebad Wyk gegründet. Das Grundkapital dieses Unternehmens war das Nordseewasser, das nach der Analyse eines Wyker Apothekers „an Gehalt das Wasser aller bisher angelegten Seebäder“ übertraf. Ihr Kapital verschaffte sich diese erste Bürgerinitiative Föhrs durch Aktienverkäufe. Der erste Werbeprospekt „Das Seebad auf Föhr in der Westsee“ wurde gedruckt, und man hoffte in diesen „geldschwierigen Zeiten“ auf Aktionäre, die bereit waren, ein Risikokapital zu investieren, von dem niemand wissen konnte, ob es überhaupt Erträge bringen würde. Zweihundert Jahre später wirken Innovation und Tatkraft dieser Wyker Bürgerinnen und Bürger noch immer nach.“ https://www.wyk.de/stadt-wyk/seebad
Und da wirkte es gut, dass Christian VIII., wie viele seiner Vorgänger nicht nur dänischer König, sondern auch Herzog von Schleswig, Holstein und Lauenburg, 1842 zum ersten Mal über den Sommer als Badegast nach Wyk gekommen war und für öffentliches Aufsehen sorgte. Und auch Hans Christian Andersen machte sich nach Föhr im August 1844 auf, um die „unangenehmste Reise, die ich jemals unternommen habe“ zu machen. „Strömender Regen, matschiger Grund, extreme Langsamkeit der Kutsche – „der Wagen schwankte wie ein Boot auf einem See, die ganze Gegend stand unter Wasser“. Und dann erst Dagebüll, der Hafen, von dem damals wie heute die Schiffe nach Föhr abgehen, „das erbärmlichste Loch auf der Welt“. Dagebüll hat sich die Aussage Andersens aktuell wohl ein wenig zu sehr zu Herzen genommen, oder?
Und auch wir werden heute damit konstruktiv leben müssen, dass der Wandlungsprozess kontinuierlich ist. Christian VIII oder Hans Christian Andersen werden uns da nicht weiterhelfen können. Dafür „spült“ die WDR täglich hunderte (?) von Gästen auf die Insel, die heute für Aufregung sorgen. Ich und ebenfalls im Besonderen die Föhrer:Innen und letztendlich auch Föhr als Insel werden damit umgehen und auch ja oder nein sagen müssen, was aktuell für uns die gewählten politischen Repräsentanten machen, die sich dabei immer mehr analogem und virtuellem Shitstorm aussetzen müssen. Politik darf sich aber nicht in kurzfristiger Krisenbewältigung erschöpfen. Sie muss Zukunft gestalten. Die aktuelle Krise erfordert eine demokratische und eine zur Utopie fähige Politik.
Die Gesetze der Natur sprechen seit einiger Zeit eine sehr deutliche Sprache und plötzlich erweisen sich die etablierten Gesetze der Gesellschaft der letzten 50 Jahre in einem Maße als veränderbar, wie es noch gestern in einer durch globale "Alternativlosigkeiten" regierten Welt vollkommen unmöglich schien.
Dass die Erde sich dreht, das Leben selbst nicht aufzuhalten ist, ist nicht nur eine philosophische Metapher, sondern gleichzeitig auch eine Aufforderung für menschliches Steuern, Koordinieren, Mitmachen, konsequentes Führen und anschließendem Handeln. Der Glaube, sich gegen alles oder konsequent für alles aufzulehnen, geschweige denn alles Laufen zu lassen, ist aus meiner Sicht ein Irrglaube, den ich aus fast 40 Jahren außerparlamentarischer Opposition und beruflicher Tätigkeit als Lehrer und Schulleiter ziehe. Wir sind in unserem politischen Selbstverständnis integraler Bestandteil einer parlamentarische Demokratie mit all ihren Schwächen und Stärken, in der die politischen Parteien bei der Willensbildung mitwirken.
(GG Art 21 (1).) Und wir haben unsere Repräsentanten konstruktiv zu unterstützen, zu kritisieren und auch zu kontrollieren. Das Interview mit Bürgermeister Ulli Hess im Inselboten vom 05.02.22 konkretisiert aktuell meine Sicht der Dinge und fordert deshalb stellvertretend auch zum konstruktiven, kritischen und fairen Dialog auf. Das “Geschwurbel“ auf Telegramm oder anderen Netzwerken ist kein Dialog auf Augenhöhe, geschweige denn überhaupt ein Dialog!
Am “digitalen Stammtisch” herrscht längst großes unklares Gebrüll („Geschwurbel“) und statt differenzierter Debatte allumfassender Verkürzungszwang samt verschärfender schwarz-weiß Rhetorik. Hass-Rede ist dabei nicht nur eine Form von sprachlicher Armut, sondern auch gefährlich. Die “Luftblasen” von politischen Anhängern und Gegnern entfernen sich immer weiter voneinander, bis nur noch gegenseitiges Missverstehen vorherrscht, Feindbilder überhandnehmen und das Virus sich im Gehirn als reales Sein verankert.
Und dann können von Möchtegerndemagogen unter dem Deckmantel der freien Rede bedenkenlos Falschmeldungen als “Diskussionsbeiträge” und “demokratische Partizipation” in den Diskurs implementiert werden. Unsagbares wird plötzlich sag- und sendbar. Sprachentgleisungen, Beleidigungen und rassistische, menschenunwürdige Feindbildrhetorik mutieren zur Normalsprache. Die perfide, fast unaufhaltsame Vergiftung der Alltagssprache schreitet voran.
Hier scheint sich das zu bestätigen, was die Gesellschaftstheorien des 20. Jahrhunderts immer schon offenbarten, dass nämlich jeder Versuch der Naturbeherrschung ausschließlich nach Effizienzkriterien die Gefahr mit sich bringt, in die Beherrschung von Menschen selbst umzuschlagen, und dass, um Hannah Arendt* (https://www.hannah-arendt.de/ ) zu zitieren, „die Stimme der Natur immer die Sprache der Notwendigkeit spricht, nicht die der Freiheit.“
Ergänzend möchte ich mich aber gezielt auch auf Joseph Beuys (1921 – 1896) beziehen. Er war ein deutscher Aktionskünstler, Bildhauer, Zeichner, Kunsttheoretiker und Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Beuys setzte sich in seinem umfangreichen Werk mit Fragen des Humanismus, der Sozialphilosophie und Anthroposophie auseinander und war übrigens Gründungsmitglied der Ur-Grünen (https://www.boell.de/de/2021/05/07/joseph-beuys-und-die-gruenen). Er hatte während seiner künstlerischen Laufbahn >Kunst, Politik und Leben< als eine Einheit beschrieben, was damals immer wieder zu radikalen Diskussionen geführt hat und im Sinne eines demokratischen Diskurses auch immer wieder geführt werden muss. Kunst, Politik und Leben ist, so Beuys, ein dauerhafter und fließender Prozess, den man nicht aufhalten, sondern nur steuern und mitgestalten kann.
Zur ergänzenden Information Beuys´ Aufruf zur Alternative von 1978 bitte unter http://www.wilfried-heidt.de/pdf/aufruf-zur-alternative.pdf nachlesen. Sicherlich ein etwas komplexer und individueller Ansatz zur weitergehenden Diskussion und zum Meinungsaustausch, dem ich mich gerne stelle. Ich lasse mich übrigens dabei auch eines Besseren belehren. Beuys beschreibt sehr ausführlich die Wege des menschlichen Zusammenlebens über Selbstbesinnung bis hin zur gewaltfreien Revolution als Teil des Menschen als „Soziale Plastik“. Sein zentrales Thema 1978 war bereits sehr konkret die >Militärische Bedrohung<, die >Ökologische Krise< und die >Bewußtseins- und Sinnkrise< seiner Zeit. Am Ende seiner Ausführungen zeigt er an >Werkzeugen des Wandels< Wege der Transformation auf. Nicht allem kann ich folgen, aber die These von der >Einheit in der Vielfalt< kann ich sehr gerne unterstützen und das nicht nur seit 1978.
In 30 Jahren werden – so meine Vermutung - viele die oben zitierten Filme belachen und vielleicht einen Film von 2022 als völlig skurril und abwegig empfinden. Und wer hätte schon Mitte der 1980er Jahre gedacht, dass es 2017 ein "Weingut" auf Föhr und ein Museum für Kunst der Westküste mit wirklich hervorragenden Ausstellungen gibt? Das Ziel des MKdW ist es dabei, „kreative Arbeit für alle ohne Einschränkungen zu ermöglichen. Es versteht sich als ein weltoffenes, serviceorientiertes und familienfreundliches Museum, das als außerschulischer Ort der Begegnung ästhetisches Lernen und Handeln spielerisch und experimentell erprobt und umgesetzt.“ Zur gleichen Zeit kann man sich im Dr. Carl Häberlin-Friesen-Museum auf eine aufregende Zeitreise in die friesische Vergangenheit begeben und den Wandlung- und Lebensprozess der Menschen in Nordfriesland und an der Küste der Nordsee nachvollziehen.
Hinzu kam parallel ein Hotel am Südstrand, das im Vorfeld heftige Diskussionen und Ablehnungen ausgelöst hatte. In der Zwischenzeit ist das Hotel ein touristischer und kultureller Leuchtturm, gerade im Winter treffe ich dort gerne viele einheimische Gesichter im kommunikativen Plausch. Im Sommer waren die Open-Air-Konzerte immer wieder gefeierte Highlights. Technische und personelle Probleme müssen allerdings hier genauso gelöst und effizient kompensiert werden, wie auf dem Festland.
Das Wort Wohnraum für zukünftige Mitarbeiter:Innen und Einheimische ist dabei ein viel diskutiertes Schlagwort jeder offenen Gesprächsrunde auf Föhr. Dauerwohnraum statt Ferienwohnraum? Da fällt mir ein Aphorismus ein. „Wes Brot ich ich ess, des Lied ich sing“. Und dieser geht auf eine Anekdote am Hofe des Herzogs von Württemberg zurück, ähnlich der Interpretation: „dann sing ich lieber nichts Schlechtes über diesen, sondern etwas Positives. Denn würde ich den kritisieren, kriegte ich natürlich nichts zu essen.“
Wer also wirft auf Föhr bildlich den ersten Stein oder sägt den Ast ab, auf dem er sitzt? Ich?
Warum eigentlich nicht ?“
Aber weiter zum Kern meiner Ausführungen.
Das Hotel selbst definiert sich über ein ausgewogenes modernes Wellnessangebot. Die Stadt Wyk mit ihrem Aqua Wyk wird wohl oder übel in den kommenden Jahren im Sinne einer zukunftsorientierten Transformation nachlegen und eine Großbaustelle eröffnen müssen, wenn zum definierten nachhaltigen Tourismuskonzept auch ein Kur- und Gesundheitskonzept kommen soll. Und diese Maßnahmen werden auch wieder Dreck, Unruhe und Veränderung nach Wyk bringen.
Mit der Serie sh:z Klima werden die Auswirkungen der globalen Klimakrise zusätzlich in einen lokalen Kontext gesetzt. Es wird beleuchtet, wer schon jetzt von der Klimakrise betroffen ist, was lokale Akteure aus der Politik, Landwirtschaft und Industrie unternehmen und was jeder Einzelne vor Ort tun kann, um die 1,5-Grad-Grenze vom Pariser Klimaabkommen zu erreichen. Und was passieren würde, wenn keiner etwas unternimmt. Siehe hierzu auch: https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/Klima-in-SH-id35292617.html . Wer hier seine Email-Adresse hinterlegt, kann sich immer wieder auf den neuesten Stand bringen lassen, falls er/sie es auch will. Darüber hinaus gibt es eine breite Informationsebene unter https://www.aktivregion-uthlande.de/aktuelles/zukunft und natürlich auch bei https://www.ihko.de/.
Wer sich also interessiert über seinen persönlichen Wohnort hinaus mit der Entwicklung und Veränderung auf Föhr beschäftigt, sollte sich einmal auf der Seite https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/Themen/KuesteWasserMeer/Kuestenschutz/kuestenschutz.html mit den Küstenschutzplänen auseinandersetzen, die Bestandteil einer Veränderungsmaßnahme sein werden, die das Thema ökologischer Wandel auf Föhr in den Fokus setzen.
Veränderungen und Neuplanungen laufen in vielen Bereichen auf der Insel und sind auf den von mir unten aufgeführten Links ergänzend nachlesbar! Ob es gut wird, wird die Zeit zeigen. Genauso wird es mit der Großen Straße sein. Die Diskussion über die Baumaßnahmen auf Föhr finden hier und da intensiv und emotional Widerhall, wie es sich bei der Diskussion um die Beleuchtung in Wyk und der neuen Mittelbrücke zeigt. Eines muss man allerdings dabei berücksichtigen, dass nämlich alle Maßnahmen vor vielen Jahren in den gewählten kommunalen Gremien nach öffentlicher und beschlussorientierter Beratung verabschiedet worden sind und wir diese Maßnahmen mit fast einer Legislaturperiode Verzögerung in ihrer Umsetzung und den damit zusammenhängen Problem erst spüren.
Ich sitze seit fast drei Jahren, nach dem finalen Umzug Anfang Februar 2019 nach Nieblum, mit wenigen Ausnahmen als einziger Gast in den öffentlichen Gemeinderatssitzungen und kenne die Tagesordnungspunkte nicht nur aus den Aushängen und öffentlichen Verlautbarungen. Unter Fragestunde kann ich Fragen stellen, meine Meinung äußern und persönliche Empfehlungen aussprechen. Da ich kein Mitglied des Gemeinderates bin, kann ich allerdings nicht abstimmen. Es ist Teil der Gemeindeordnung, die ich akzeptiere.
Aber ich bin über Nieblumer Belange informiert, auch wenn sie mir in ihrer Inhaltlichkeit und Durchführung nicht immer gefallen. Mir ermöglicht es aber einzuschätzen, wann diese Entscheidungen im Dorf nach Beschluss und Vergabe umgesetzt werden. Es besteht also aus meiner Sicht kein Grund zum Ärger, wenn etwa ein oder zwei Jahre später irgendwo Baumaschinen auftauchen. Ich war ausführlich im Rahmen der Gemeindeordnung informiert! Lese ich die kritischen Einlassungen auf Facebook und Co. oder in Leserbriefen, bin ich oft irritiert über die gefühlte Unwissenheit der Zusammenhänge und die oft arrogant anmaßenden Kommentare.
Im Leserbrief des IB vom 12./13.2022 wird es schon sprachlich deutlich. Da spricht man von „Gigantomanie, Monstrum und Mahnmal“. Das Ende des Leserbriefes zeigt in seiner ambivalenten Deutlichkeit die Sicht des Problems mit zweierlei Augen auf: „…und vor allem die nachfolgenden Generationen werden es ihnen danken!“ Das ist aus meiner Sicht kein demokratischer Diskurs, den wir dringend brauchen. Irritiert hat mich dabei auch die Tatsache, dass bei der öffentlichen Sitzung des Bau-, und Hafenausschusses am 09.02.2020 laut IB vom 12./13. Februar 2022 das Thema Mittelbrücke von der kritischen Öffentlichkeit nicht angesprochen wurde. Otto Eberhard Schaefer (Kommunale Gemeinschaft): „Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Mittelbrücke im Mittelpunkt der Einwohnerfragestunde stehen würde!“ Was ist das für ein Demokratieverständnis?
Ich hatte mich seiner Zeit z.B. gegen den Widerstand vieler Nieblumer und auch Föhrer für ein Hotel in Nieblum stark gemacht, um das „Ausbluten“ des Dorfes im Winter zu verlangsamen. Viele andere und ich mussten sich demokratisch geschlagen geben und darauf verzichten, weil die Hotel-Idee andere bzw. keine Mehrheiten fand. Der Beschluss ist vom Tisch und ich schaue voraus.
Mein Vorschlag an alle, die der Idee Föhr kritisch und konstruktiv folgen wollen, ist der zentrale Hinweis, Informationsquellen, die öffentlich für alle zugänglich sind, wie z.B. https://www.wyk.de/projekte/grosse-strasse zu folgen. Der Begriff Follower bekommt hier nämlich aus meiner Sicht eine ganz neue und andere Bedeutung. Wer es wusste, konnte z. B. am 11.02.2022 an einer der ersten virtuellen Kreistagssitzungen als Zuschauer:In/Zuhörer:In unter www.nordfriesland.de/sitzungen teilnehmen. Politikpartizipation als Follower vom föhrer Küchentisch aus betrachtet ist ein neuer Kommunikationsstil.
Behutsam und mit viel Transparenz in der Diskussion, die die Politik unter Teilnahme der Öffentlichkeit plante und plant, wird ein wesentlicher Weg der Änderung und Anpassung immer wieder auf Föhr sichtbar. Sieben Planungs- und Konzeptbüros sind aperiodisch mit Konzepterstellungen und Projektbegleitungen auf der Insel seit einiger Zeit betraut.
Und das wurde auch deutlich zur ersten großen Wyker Einwohnerversammlung Ende Januar 2020 (siehe Einladung und Tagesordnung unter: https://www.amtfa.de/news/1/543711/nachrichten/einwohnerversammlung-der-stadt-wyk-auf-f%C3%B6hr.html ), auf der Föhrer Zukunftspläne unter Beteiligung der anwesenden Inselbevölkerung vorgestellt und diskutiert wurden.
Ich war damals als interessierter Gast anwesend und hatte dabei die Gelegenheit mit vielen unterschiedlichen Meinungen und Ansichten konfrontiert zu werden und auch meine Meinung in den Arbeitsgruppen im persönlichen Gespräch zu artikulieren und an Flipcharts optisch zu dokumentieren. Dabei wurde für mich sehr deutlich, dass es nicht nur einen Informations- und Kommunikationsstau, sondern auch einen Zukunftsstau gab und gibt, insbesondere hinsichtlich der zukünftigen touristischen, wirtschaftlichen und kommunikationstechnischen Entwicklungen von Föhr.
Corona hat allerdings dabei unglücklicherweise zusätzlich noch einen riesigen Spalt in die Kommunikation der föhrer Gesellschaft geschaffen, der nur durch engagiertes Miteinander zu schließen sein wird und uns als Außenstehenden auch fordert, das konstruktiv zu tun. Der Preis ist allerdings die sachlich fundierte Informationsbeschaffung vor dem emotionalen Diskurs. Und das kostet Zeit, Geduld und Recherchearbeit. Es ist aber der demokratische Auftrag des Mitgestaltens aller Föhrer:Innen und Menschen, die Föhr als ihre Heimat bezeichnen.
Eines darf man allerdings bei der Diskussion nicht vergessen, dass es mittlerweile mittels der sogenannten sozialen Medien (Facebook, Instagram und dem Facebook Messenger, Twitter, TikTok, Snapchat, Telegramm usw.) eine breite Diskussion von tausenden Kritikern und Befürwortern in verschiedenen Freundesgruppen Föhr gibt, die aus der Ferne „Ihre“ Insel inhaltlich diskutieren und kommentieren. Ziel scheint es von außen zu sein, die Insel durch Kommentare voranbringen oder in den Status Quo der Vergangenheit versetzen zu wollen, damit sie – so die Kommentatoren - alles wieder vorfinden, wie sie sie im letzten Urlaub verlassen haben. Hier gilt es behutsam, mit Bedacht und auf Augenhöhe gemeinsam dagegen zu halten.
Siehe auch: https://www.ard-zdf-onlinestudie.de/ardzdf-onlinestudie/pressemitteilung/
Viele Maßnahmen, die uns auf Föhr betreffen, werden auf folgenden Seiten kommuniziert und veröffentlicht. Ich bin mir dabei nicht sicher, ob in den jeweiligen Gemeindevertretungen auf der Insel noch andere, auf den Ort zugeschnittene, Maßnahmen vorgesehen sind. In den Aushängen oder allgemeinen Ankündigungen und Mitteilungen gibt es sicherlich Hinweise.
https://info.amtfa.de/sessionnet/bi/info.php Hier finden Sie alle Infos zu Sitzungen der Gemeindevertretung. Oben einfach durchklicken und die jeweilige Seite mit den Themen geht auf.
https://www.amtfa.de/seite/528640/informationen-f%C3%BCr-b%C3%BCrger.html
Unter der Rubrik Bauen&Planen besteht die Möglichkeit zu den aktuellen Themen zu informieren.
Ich werde mich wahrscheinlich im Ausschuss Jugend, Kultur und Soziales sehen lassen, denn dort scheint mein Thema Kunst und Leben (Joseph Beuys) auf Föhr beispielhaft verankert zu sein und vielleicht den einen oder anderen Impuls zu vertragen!
Zum Thema Bürgerfragestunde gibt es unter: https://www.amtfa.de/seite/482368/einwohnerfragestunde-wyk.html weitere Informationen. Zwei weitere Quellen dienen darüber hinaus zur ergänzenden Informationsbeschaffung: https://www.wyk.de/stadt-wyk/kontakt und natürlich die Seite
https://www.wyk.de/, wo zusätzlich unter https://www.wyk.de/projekte/aktuelle-projekteüber laufende Projekte informiert wird.
Fragen/Antworten der Verwaltung/Satzungen/Verordnungen findet man hier:
https://www.wyk.de/stadt-wyk/verwaltung/satzungen/verordnungen
Die Stadtvertretung zeigt sich hier:
https://www.wyk.de/stadt-wyk/politi/stadtvertretung
Mit der Einwohnerbefragung ist darüber hinaus ein weiterer Entwicklungsbaustein für die Insel Föhr hinzugekommen. Hinweise dazu unter:
https://www.foehr.de/action/search?form=fulltextsearch&query=einwohnerbefragung&doTrack=true
Ein Großteil der föhrer Bevölkerung identifiziert sich laut dieser Befragung intensiv mit dem Tourismus als eine der wichtigsten Einnahmequellen in der Zukunft. Und da werden sicherlich Fragen eines zukünftigen und nachhaltigen Tourismuskonzeptes genauso von allen zu diskutieren sein, wie eine Mobilitätsvision oder eine digitale Vernetzung aller Verwaltungs- und Steuerungsablaufe umsetzbar ist. Um das leisten zu können ist konstruktive Kritik und Mitarbeit in den Gremien – auch außerparlamentarisch – von Nöten. Das setzt unterstützendes Fachwissen von den Bürger:Innen voraus und kostet Zeit Hintergrundwissen zu sammeln, Fakten zu analysieren, um seine Entscheidung, Haltung und Meinung zu verifizieren, um am Ende zu einer Entscheidung zu kommen, wie die gewählten Repräsentanten es schließlich ja auch tun unddabei nicht fehlerfrei sind.
Ein ergänzendes Informationsplateau findet man hier:
An einem Faktum können wir allerdings nicht vorbeischauen, ob wir die Zeit der Walfänger und der sprechenden Grabsteine verklärt sehen wollen und die Geschichte als besonders schützenswert befinden, während gleichzeitig freies WLAN in den Strandkörben für eine andere Form des Home-Offices im Urlaub möglich ist. Und Mutti steht derweilen parallel an, um ihre Lieben mit Pfandthermobechern und Hafermilchkaffee zu versorgen, währenddessen die kleinen Racker mit der Eistüte am Mund nach Würmern im Watt suchen oder sich an der Kinder-Uni-Föhr mittels kindgerechter Kulturkommunikation geistig erfrischen.
Es ist das Freizeitverhalten, das Urlaubsverhalten, ja eigentlich unser aller Verhalten, das sich radikal geändert hat und zu umfassenden gesellschaftlichen Transformationen führt. Ich erinnere mich immer wieder gerne, wie am Anfang schon erwähnt, an Tante Hertha und Kurt im „Glaube-Liebe-Hoffnung“. Soll ich aktuell den Gästen absprechen, dass sie heute in meiner beseelten Hafenkneipe von 1987 mit Musikbox und Hans Albers jetzt Sky zum Bier und manchmal Pizza zu sehen und zu hören bekommen? Oder wie man sich vor fast 35 Jahren bei einem Sonnenuntergang in Utersum vereinzelt mit wenigen Paaren traf und eine Flasche Piccolo trank. Heute vereint der Blick nach Sylt bei Aperol-Spritz-Partys mit Sundowner & Co sowie karibischer Musik aus den Lautsprechern des Bistro´s Treibholz schon längst hunderte Menschen aller finanziellen Couleur und sozialer Gruppen und zeigt gleichzeitig, wie schön der Norden für alle sein kann. Ich nehme da nämlich schon längst einen Drink im Innenhof des Upstalsboom, der bei solchen Situationen manchmal die optimale Ruhe für mich alten „weißen Mann“ auf einem der leeren Lounge-Sessel darstellt.
Und dann denke ich noch einmal an Tante Hertha und Kurt und lasse mich doch wieder von der Besonderheit der Nordsee einlullen, die ohne unsere menschliches Eingreifen alle sechs Stunden mit uns spielt. Dann kommt der Moment, wo ich 35 Jahre vorausträume und mich frage, ob wir, die heutige Generation, die Weichen für das dann erneut veränderte Urlaubsverhalten von der nachrückenden jungen Generation richtig gestellt haben oder nur so tun, als ob wir es wollten?
Die Mitbewerber Ostsee oder konkret Büsum, SPO (hier beispielhaft: www.urban-nature.de Urban Nature Vibes zeigt eine aktuell radikal veränderte Sicht der Dinge!) und auch die Ostfriesischen Inseln stehen nicht im Windschatten und warten, was passiert. Sie agieren und reagieren in ihrer Region und in ihrem Ort auf die Veränderungen durch „nachhaltige“ Anpassung, was auch immer das in ihrem Konzept heißt. Sie haben die gleichen diskursiven Schwierigkeiten, wie ich oder wir. Stillstand jedenfalls ist dabei keine Lösung.
Denn, wenn gar nichts geht, so bitter ich das sagen muss, Mallorca, Teneriffa oder Hurghada & Safaga sowie die DomRep gehen immer, wie aktuelle Internetrecherchen zeigen. Manchmal sogar günstiger. Und wenn dann alle glücklicherweise dort sind, dann kann ich wieder wie 1988 mit meinem Piccolo und meiner Frau am Strand von Utersum stehen und den Sonnenuntergang genießen und von alten Zeiten träumen.
Es gibt allerdings Belastungsschwellen, die an einer wachsenden Zahl von Orten übertreten werden, wie beispielshaft im Sommer in Nieblum und in Wyk am Sandwall. Sie sind demnach überschritten, wenn Touristen nicht mehr von den Leistungen profitieren, die eigentlich für die lokale Insel-Bevölkerung vorgesehen sind, die kommunale Daseinsvorsorge. Und die Anwohner Leistungen in Anspruch nehmen sollen, die eigentlich für die touristische Daseinsvorsorge erdacht und entwickelt wurden. Wenn die gewachsene Kneipe z.B. von hippen Läden mit Mondpreisen verdrängt wird und der Platz im gemütlichen Dorf-Krog per Open-Table Wochen im Voraus reserviert und per Kredit-Karte abgesichert werden muss. Wenn der letzte Schuster aus- und noch ein maritimes Souvenirshop einzieht, das Inselregionalität aus chinesischen Containern suggeriert . Wenn auf Ferienwohnungsportalen zwar immer noch eine Nische zu haben ist, die Einheimischen aber von der Insel wegziehen müssen, weil es für sie keine Nischen mehr gibt, dann ist die Schwelle überschritten.
Es stellt sich zum Schluss auch die Frage, wo denn eigentlich in meinen Ausführungen die Föhrer Jugend, die hier ihre Lebenswelt und Heimat mit Arbeitsplatz und bezahlbarem Wohnraum eines Tages haben wird, vorkommt? Die Ausstellung und die Hintergründe der Idee https://www.mkdw.de/de/ausstellung/inseljugend-andreas-jorns, macht jedenfalls Mut auf mehr, sich nicht zu sehr mit sich selbst, sondern auch mit deren Lebensperspektiven in 30 Jahren zu beschäftigen und sie nach ihren Wünschen zu befragen. Und da gehört eindeutig Veränderung dazu, sowie ich sie seit meiner Jugend auch erfahren habe. Im Positiven, wie im Negativen. Und das nenne ich ganz frech und mit künstlerischer Brille simpel Leben! Und das gilt es zu gestalten.
Wenn ich endlich zum Schluss komme und eine ganz persönliche Wunschliste für eine programmatische Idee hätte, dann würde ich:
Die Frage, die am Ende allerdings bleibt, ist nur, ob das alles tatsächlich viel am Status quo ändern würde, wenn gleichzeitig viele tausend Reisende nachrücken, wie die Welttourismusorganisation prognostiziert. Selbst wenn alle, die in den nächsten Jahren zum ersten Mal nach der Pandemie zu einem Urlaub im eigenen Land und hier aktuell nach Föhr aufbrechen, um in der Marsch Fahrrad zu fahren, im Heuhotel zu übernachten, beim Melken mitzuhelfen, windstabiles Kiten in Utersum genießen und abends eine Tanzaufführung der Trachtengruppe mit musikalischer Begleitung durch die Musikfreunden Föhr-West besuchen, um das Kulturangebot ihrer Urlaubskommune zu fördern, wäre die Insel als Metapher für „Friesische Karibik“ brechend voll.
Die Probleme lassen sich daher am besten lokal lösen, mit je eigenen Regeln, die auf die eigenen lokalen Probleme zugeschnitten sind. Das geschieht bereits. Barcelona, Dubrovnik, Rom und Venedig gehen hier beispielhaft voran. Und je größer der demokratische Anwohnerprotest ist, desto mehr Einschränkungen für Touristen werden die Folge sein. Eine Umverteilung und Begrenzung wäre deshalb eine mögliche Antwort.
Das waren jetzt nur Wünsche und all ihre Formulierungen begannen mit würde, hätte, könnte und wäre! Vielleicht würde ja ein Inselparlament (>Einheit in der Vielfalt< laut Beuys) sich diesen Fragen in der Zukunft wesentlich effizienter stellen können, als das zehn einzelne Gemeinden und die Stadt Wyk aktuell tun?
Aber auch das ist nach der Beuy´schen Theorie Teil des realen und analogen visionären Lebens, über das wir dauerhaft im Gespräch bleiben müssen. Und Visionen sind nicht nur das Privileg von Künstler:Innen, sondern von allen Lebewesen auf der Erde.
Mit kreativen Grüßen aus Nieblum
Andreas Petzold
Atelier KUNSTEINS
Strandstraße 8
25938 Nieblum/Föhr
www.kunsteins.de 04681 5566
ergänzende Infos zu den Parteien
https://www.gruene-foehr-amrum.de/
https://www.facebook.com/spdnordfriesland/?ref=bookmarks
https://www.cdu-nf.de/ueber-uns/ortsverbaende%20