BLAUER SALON
Review 2016
BLAU
Non, je ne suis pas Yves Klein. Je suis PAN.
Als ich Anfang September 2016 die Anfrage bekam, im Blauen Salon oder Achim´s Rathaus Arbeiten von mir auszustellen, war mir klar, dass das nur unter dem Aspekt des künstlerischen Experimentes funktionieren würde. Mein erster Gedanke war mein Projekt „Nein, ich bin nicht Yves Klein“- Blaue Kunst im präkleinschen Zeitalter. Das implizierte automatisch die Frage, ob es überhaupt möglich sei, nach Yves Klein „blaue Kunst“ zu machen. Ich meine schon. Gleichzeitig war eine kritische Analyse notwendig, was überhaupt „Blau“ ist, wer Yves Klein war und was das Ganze mit Kunst zu tun hat. Viel und wenig zugleich. Bei der ersten Überlegung taucht allerdings auch automatisch die Frage nach dem Sinn, der Wirkung und der Bedeutung von Farbe auf.
Van Gogh hat sie gebraucht, Jackson Pollock hat sie tropfen lassen, Yves Klein war blau, Gierke war weiss, Goethe hat über sie nachgedacht, Itten hat sie wirkungsrelevant versucht zu beschreiben, der Malermeister nebenan greift nach dem Ralfächer, um sich sicher zu sein. Aber macht das wirklich Sinn? Viele Mitmenschen sind sich ihrer Farbfähigkeit und Wirkung unsicher. Mehr als 30% der Deutschen betrachten Blau als ihre Lieblingsfarbe, danach folgt Rot und Grün. Ich liege also mit meinem Projekt „Blue“ voll im Trend, oder?
Bei Rot und Grün fällt mir ein, dass ich zur Musterung zum Wehrdienst eine Rot-Grün-Schwäche diagnostiziert bekommen habe und damit nur eingeschränkt zum Dienst an der Waffe tauglich war. Und meine Waffe sollte doch ein Starfighter sein. Eigentlich hat mir dieser Makel oder jene Behinderung wahrscheinlich das Leben verlängert. Sind doch Ende der 60er Jahre immerhin einige viele von diesen Raketen vom Himmel gefallen und haben ihren Flugzeugführern nicht den Gefallen getan, sie am Leben zu lassen. Da kann ich mir heute aus distanzierter Sicht als Künstler durchaus einmal Gedanken machen, wofür und warum Farbe gut ist. Reden wir deshalb doch einfach mal über Farbe oder wie kommt das Blau in Achim´s Rathaus?
Farbe muss man nur zu nutzen wissen, behaupten zumindest Farbberater. Neben Kochstudios, Nagel - Tatoostudios, dubiosen Film- und Boxstudios gibt es jetzt auch noch Farbstudios, die uns glauben machen wollen, dass diese oder jene Farbe für uns von besonderer Bedeutung sei. Und, die Grundlage bietet dabei wieder einmal die empirische Forschung. Dabei ist herausgekommen, dass Probanden bei der Entscheidung ein Date zu arrangieren, eher die Farbe Rot als Blau ins Spiel bringen. Über 50% der Testpersonen haben auf das rote Signal des Gegenübers angesprochen. Was hat also Yves Klein dazu gebracht sich sehr oft der Farbe Blau zu nähern, eine eigene Mischung sogar patentieren lassen? Fragen über Fragen, die nicht unbedingt am heutigen Abend beantwortet werden können.
Farben, und das ist die althergebrachte Erkenntnis, lösen Assoziationen aus. Als junger Kunsterzieher habe ich vor fast 40 Jahren meinen Schülern zu vermitteln versucht, das blau kalt und rot warm sei. Wenn einer der Impressionisten des 19.Jhrdts meinen Satz so lesen würde, müsste er wahrscheinlich schmunzeln. Und es stellt sich mir fast automatisch auch die Frage, nach welchem Farbberater eigentlich Künstler ihre Farben auswählen. Und genau hier taucht der Wahrnehmungspsychologe Heiko Hecht von der Uni Mainz auf, dessen Erkenntnisse Empfindungsmessungen bei Farben zugrunde liegen.
„Einig sei man sich“, so Hecht, „dass Rot als warm empfunden werde, Blau als kühl!“ Da lag ich vielleicht doch nicht so falsch bei meinen Schülern? Er geht dabei von klaren Erkenntnissen durch Messung aus. „In einem blau gestrichenen Raum fröstelt man schon bei 15° Raumtemperatur, ein orange gestrichener Raum wird auch dann noch nicht als kalt empfunden, wenn das Thermometer bereits auf Kühlschranktemperatur gefallen ist!“ Das liegt einerseits daran, dass seit der Evolutionsgeschichte Rot als Farbe des Feuers und des Blutes und das des Meeres blau wahrgenommen wird. Ansonsten sei das, was den Farben zugeschrieben werde, so Hecht „Hokuspokus“.
Einig scheint man sich allerdings in der These zu sein, dass es keinen interkulturellen Konsens in dieser Frage gibt. Wer sich einmal auf einem Friedhof umsieht, wird dort eher Schwarz als Farbe der Trauer wahrnehmen. In Asien wird man vornehmlich Weis als Trauer vorfinden. In Indien würde uns womöglich Grau als Glücksfarbe begegnen. Um Farbwirkungen zu verstehen, muss eigentlich erst geklärt werden, wie wir Farben überhaupt sehen. Ich war vorsorglich wieder einmal beim Augenarzt. Die Rechnung kam schnell und war hoch. Über Farben sehen hat er mit mir nicht gesprochen. Aber das ist vielleicht wieder ein anderes Problem. Denn Farben sind keine messbaren Eigenschaften, die der Augenarzt diagnostiziert, sondern Interpretationen des Gehirns, in Bezug auf langwelliges oder kurzwelliges Licht, das auf die Netzhaut fällt. Ob das auch schon van Gogh gewusst hat, als er einen Teil des reifen Korn in Südfrankreich blau gemalt hat? Oder hatte er auch eine Sehschwäche, wie ich?
Das Gehirn ist eigentlich unser richtiges Auge, das ständig Vergleichsparameter abtastet und damit eine Farbkonstante sucht und speichert. Farben spielen in der menschlichen Wahrnehmung eine zentrale Rolle und sind dabei allerdings mit eigenen individuellen Assoziationen verbunden. Und das ist der Grund, warum ich mich wahrscheinlich für den blauen Salon in Biebrich mit dem Thema Blau auseinandergesetzt habe oder weil mein Gehirn im Spiegel ständig Yves Klein sieht und damit blau assoziiert. Aber das ist mir jetzt auch völlig egal. Blau sieht man jedenfalls als Bindeglied zwischen Wasser/Meer und Auge des Menschen. Bis ins 16.Jhrdt. glaubte man, dass sich das Meer am Horizont mit dem Blau des Himmels verschmelze. Und jenseits dieser blauen Linie lockte das Grenzenlose, das Geheimnisvolle, das Unendliche und die ferne Tiefe. Eine Fahrt ins Blaue war somit auch ein kleines Abenteuer ins Ungewisse und Magische. Blau wurde somit zum Sinnbild der Verbindung von Himmel, Luft und Meer und suggeriert Ferne, Sehnsucht und Unergründliches. Grundlage für die bildende Kunst, blau zu sehen! Und das ist gut so.
Die Hauptsache ist, dass wir mal über Farbe geredet haben. Und sie taucht immer wieder auf, die Frage: “Wie kommt das Blau in den Blauen Salon?“ Schaut es Euch einfach an!
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