unSINN
110 Jahre DADA
Und kein bißchen leiser oder weiser? Ein unSinniger Erklärungsversuch.
Am 05. Februar 1916 gab es den sogenannten „Urknall der Kunstgeschichte“ und des künstlerischen Zweifeln. Vereinfacht auf das Heute bezogen, ein Reset. Es waren die Reaktionen als Schrecken der gegen die Erkenntnisse und der Grausamkeiten des Ersten Weltkrieges. Es war eine Art Gegenentwurf auf die als sinnlos empfundenen Werte und Haltungen der bürgerlichen Gesellschaft. Die sich entwickelnde Kunstform revoltierte nicht nur gegen den Muff der Konventionen und des Wertesystems, sondern auch gegen die tradierten Vorstellungen von Kunst jener Zeit an sich! In die Geschichte geht diese Form der Auseinandesetzung als DADA ein. Über die Namensgebung, den Autor/die Autorin und die konkreten Zusammenhänge der Namensfindung gibt es viele Legenden.
Mit DADA wurden traditionelle künstlerische Konventionen abgelehnt und stattdessen subversiver Humor, das Irrationale und Absurde in den Fokus der täglichen Auseinandersetzung genommen. Grundlage und Manifest zugleich waren eine Vielzahl von Ausdrucksformen, wie z.B. Collagen, Assemblagen, Lautgedichte, Performances, Ready-Mades und Verteilen von Manifesten mittels Flugblätter. Diese künstlerischen Experimente zielten darauf ab, die Grenzen zwischen Kunst und Alltag aufzuheben und den Betrachter aus seiner gewohnten Wahrnehmung herauszuführen. Zentral für die Bewegung war das Spiel mit dem Zufall, der als kreative Kraft gefeiert wurde, sowie die bewusste Provokation der Gesellschaft durch das Brechen von Tabus. Mit dieser radikalen Haltung wurde der Dadaismus nicht nur zu einer wichtigen Gegenbewegung seiner Zeit, sondern auch zu einem Impulsgeber für nachfolgende avantgardistische Strömungen wie den Surrealismus, die Konzeptkunst, die zeitgenössische Performance-Kunst und FLUXUS, bei der Aktionskunst, Film, Happenings, Musik oder Theater deutlicher in den Fokus geriet als 1916. Mit FLUXUS ist meine künstlerische Haltung, Position und Prägung deutlich beeinflußt worden und heute nicht mehr wegzudenken.
Ausgehend von Zürich entwickelte sich die Bewegung rasch weiter und fand in Städten wie Berlin, Paris und New York unterschiedliche Ausprägungen. In Berlin lag der Fokus der Bewegung auf politischer Satire und gesellschaftskritischen Aktionen, bei denen Künstler wie George Grosz, Hannah Höch, Hans Arp, Max Ernst, Emmy Hennings, Elsa von Freyrag-Loringhoven oder Hugo Ball das bürgerliche Establishment und die politischen Zustände ihrer Zeit scharf kritisierten. In Paris verschmolz die Bewegung stärker mit dem aufkommenden Surrealismus, wobei Tristan Tzara und Francis Picabia zentrale Figuren waren. In New York führten Marcel Duchamp und Man Ray die Bewegung zu einer konzeptuellen Kunstform, bei der die Idee und der Prozess im Vordergrund standen. In Hannover positionierte sich Kurt Schwitters als DADA-Satelliten, der mit >Merz< aus den Scherben etwas Neues bauen. Trotz regionaler Unterschiede blieb die Ablehnung konventioneller Kunstnormen und die Förderung von Zufall, Provokation und Subversion ein verbindendes Element.
Eine perfekte Form, 2026 den unSinn auf der nordfriesischen Föhr, als DADA-Satellit wie früher es früher Hannover mit Schwitters war, durch „unsinnige“ Veranstaltungen, wie Ausstellungsdokumentationen und künstlerische Experimente zu kultivieren, um letztendlich doch Sinn zu stiften. Oder? Planbar ist das Ganze dennoch nicht. Denn DADA gab es vor DADA, während DADA und ist auch lange nach DADA noch aktuell. Wer DADA möglichst authentisch darstellen will, muss ihn/es vorher allerdings in Frage stellen oder verraten.
DADA ist kein Kunststil, sondern eine Haltung.Eine konkrete Einstellung zu sich selbst und seiner Umwelt! DADA ist die Kunst, Kunst nicht allzu ernst zu nehmen. Nicht Innovation, sondern Irritation ist die Form der künstlerischen Interpretation, die sich in den 1970er Jahren im Geist von Fluxus international wiedentdeckte und sich in der Pop Art weiterentwickelte. Nimmt man heute die Krisen der Welt, so scheint es, dass das Poppige, Spröde, Paradoxe, Klamauckige und Irritierende die einzig sinnvolle Kunstform zu sein scheint, die den Wertekanon einer aus den Fugen geratenen, unsinnigen Welt, spiegelt. DADA war ein Schlag ins Gesicht der damaligen Welt. Es hat sich 1916 wie ein Gewitter über der Gesellschaft und über der Kunst als provokanter Riesenspaß entladen. Auch das kann Kunst des unSinns sein. Mal sehen, wer Recht hat in 90 Jahren!