TINY HOUSE ART 

KLEIN, ABER FEIN !

 

Ein echtes Föhrstück.

 

Ein echtes Föhrstück.

 

Kunst im Abo – warum nicht? Unvollendet und damit irritierend anders sind die maritimen Pop-Art-Serien von mir allemal.

 

Meine aktuelle Serie Fish´n Ships, die zum Teil als 3D-Variante angelegt ist, weist eine kommunikative Besonderheit auf. Die Arbeit ist unfertig, zumindest aus meiner Perspektive.

 

Von der farbigen Arbeit FISH 1 bis FISH 4 (siehe unten) ist nur ein Fisch der Neunerserie 3D-animiert. Acht, der neun Fische, haben kein 3D-Pendant. Das mag den einen oder anderen nicht stören, weil die Arbeit sowieso zusagt, ästhetisch schön erscheint und die Frage des Unvollständseins sich nicht stellt. Für alle anderen halte ich, weil mein kreatives und künstlerisches Dogma Teilhabe, Partizipation und Kommunikation ist, eine spielerische Alternative bereit, die mittelfristig das Bild ergänzt, verändert und auch den kommunikativen Prozess über die Arbeit an der Wand wach hält.

 

Etwa alle 6 Wochen bekommen diejenigen, die an dem Projekt KUNST-ABO teilnehmen, einen weiteren kleinen Fisch (ca. 4x3cm), rückseitig gestempelt (Föhrstück), signiert und mit einem Minischaumstoffstück (3x3mm) ergänzt, zugeschickt. Jetzt beginnt für den Empfänger/Rezipient allerdings die Entscheidungsfindung und die künstlerische Intervention. Der Fisch muss auf ein Pendant geklebt werden, um der Idee 3D-gerecht zu werden. Hier greift jetzt der Empfänger und Besitzer des Kunstwerkes selbst in den Gestaltungs- und Fertigungsprozess ein, auf den ich abschließend keinen Einfluss mehr habe und die Arbeit weitergehend ihre eigene Aura entfaltet.

 

(Walter Benjamin: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit"

 

 

 

Hier sind die vier Fischmotive FISCH EINS bis FISCH VIER abgebildet. Die Auflage ist auf 15 Exemplare plus 2 Exemplare e.a. festgelegt, forderseitig mit 1/1 gezeichnet, signiert und datiert. Auf der Rückseite befindet sich der Namen des Abonnenten und der Stempel nebst erneuter Signatur.  Die Arbeit kostet 100,00 € als DIN A4 Multiple*(siehe Erläuterung weiter unten), einschließlich aller zu liefernder Abo-Fische im angegebenen Zeitfenster. Die Arbeit wird mit einem losen Fisch, einem Minischaumstoffstück (3x3mm) und Holzrahmen ohne Glas ausgeliefert. Wo der erste Fisch fixiert wird obliegt allein dem Eigner/Abonnenten. Um den kommunikativen Faktor zu stärken, sollten alle Teilschritte der Abonnenten fotografisch dokumentiert werden, um den unterschiedlichen Gestaltungs- und Wahrnehmungsprozess besser nachvollziehen zu können. Ich werde die Partizipation hier auf der Projekthomepage begleiten und zum gegenseitigen Kommunizieren - auch über die sozialen Medien - auffordern.

 

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Wie der Name bereits vermuten lässt, sind „Multiples“ Kunstwerke, von denen mehrere – üblicherweise identische – Exemplare hergestellt werden. Sie sind demnach keine Kopien eines Originals, sondern selbst lauter Originale. Der Begriff wurde 1959 von dem Schweizer Künstler Daniel Spoerri im Zusammenhang mit seiner Edition MAT (Multiplication d’Art Transformable)1 geprägt. Dahinter stand die Idee, kleine, dreidimensionale Kunstwerke in Serie zu produzieren und zu einem günstigeren Preis zu verkaufen, als das bei Unikaten möglich war.2 Auf diese Weise sollte die Kunst einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Zwar waren schon lange bestimmte Drucktechniken und Abgussverfahren bekannt, mit denen Bücher, Graphiken und Skulpturen vervielfältigt werden konnten, doch wollte Spoerri die Reproduktionstechnik auch auf zeitgenössische Objekte ausweiten – auf Objets trouvés (Fundstücke), Readymades und kinetische Objekte, auf deren Produktion sich die Edition MAT spezialisiert hatte. Vorbild war hier der französische Künstler Marcel Duchamp, der zwischen 1935 und 1941 Miniaturrepliken einiger seiner Readymades herstellen ließ und in der Schachtel-im-Koffer als Edition herausgab.

 

Spoerris Initiative entwickelte sich zeitgleich mit den demokratischen Bestrebungen der 1960er Jahre, in deren Verlauf sich die Kunstwelt zunehmend öffnete – und mit ihr der Markt für Multiples: Durch das Engagement junger Galeristen, die sich auf solche Editionen spezialisierten, durch Kunstmessen und Ausstellungen, aber auch ungewöhnliche Präsentationsorte wir Kaufhäuser fanden bis zum Ende dieses Jahrzehnts zahlreiche Multiples neue Besitzer.3

 

Entscheidender Auslöser für diese Entwicklung war die Fluxus-Bewegung, die sich zu Beginn der 1960er Jahre gebildet hatte und der Spoerri angehörte. Multiples waren für Fluxus von zentraler Bedeutung, insbesondere bei einem der Gründer der Bewegung, bei George Maciunas. Der aus Litauen stammende amerikanische Künstler wollte sich der elitären Haltung des Kunstmarkts widersetzen und eröffnete in New York einen FluxShop, für den sogenannte Flux-Boxes und Flux-Kits produziert wurden. Das waren kleine kompakte Behälter, meist nicht größer als eine Brieftasche, die mit Multiples von verschiedenen Künstlern bestückt waren.4 Durch die künstlerische Praxis von Fluxus erweiterte sich die Bandbreite an Multiples erheblich – es gab nun auch Partituren für Happenings mit lustigen oder irritierenden Anweisungen, Spiele, Booklets oder andere Druckerzeugnisse.

 

Beuys, der Anfang der 1960er Jahre in der Fluxus-Bewegung aktiv war und mehrfach mit George Maciunas zusammengearbeitet hatte, wusste von diesen Aktivitäten und begann 1965 selbst mit der Herstellung von Multiples. Anders als Maciunas, dessen Arbeiten kleinformatig waren und meist in eine Hand passten, waren Beuys’ frühe Multiples größer und in ihrer Herstellung oft viel aufwendiger. Statt kleiner Drucksachen oder Kisten mit einfachen vorgefertigten Gegenständen bevorzugte Beuys Werke mit skulpturalem Charakter. Dafür kombinierte er Vorgefundenes mit Handgemachtem, wodurch sich seine Arbeiten deutlich von den Fluxus-Multiples oder auch den Arbeiten aus Spoerris MAT-Edition unterschieden, die auf den Charakter des Handgemachten gerade verzichteten. Auch bei späteren Multiples von Beuys bleibt seine persönliche Handschrift durch die Signatur, durch handschriftliche Texte oder Stempel, die von Hand aufgebracht wurden, immer spürbar. Mit Maciunas und Spoerri verband ihn die Vision einer demokratischen Kunst. Vor diesem Hintergrund verstand er seine Multiples als „Vehikel“, die möglichst vielen Menschen einen Zugang zu seiner Kunst ermöglichen und zugleich seine Ideen verbreiten sollten.5 Als er um 1970 damit begann, seine gesellschaftspolitischen Aktivitäten auszubauen, wurden die Multiples zu idealen Vermittlern seiner Vorstellungen.

 

Beuys hat seine Multiples über eine Spanne von zwanzig Jahren produziert – von 1965 bis kurz vor seinem Tod 1986. Damit zählt er zu den ganz wenigen Künstlern seiner Generation, die sich über einen langen Zeitraum intensiv mit dieser Kunstform beschäftigt haben. In diesen Jahren experimentierte er mit immer wieder anderen Formaten und Materialien, arbeitete mit verschiedenen Herausgebern, Freunden und Kollegen zusammen und entwickelte das Spektrum seiner Themen beständig weiter. Dadurch verdanken wir ihm ein ungewöhnlich umfassendes, überaus vielschichtiges und bedeutendes Kompendium an Multiples.

 

  1. Julia Robinson, „Multiple Manifestations. Nouveau Réalisme and Fluxus“, in: The Small Utopia. Ars Multiplicata, Mailand 2012, S 136. 
  2. Zur Gründung der Edition MAT vgl. Katerina Vatsella, Edition MAT: die Entstehung einer Kunstform – Daniel Spoerri, Karl Gerstner und das Multiple, Bremen, 1998, S. 36–40. 
  3. Um die Bedeutung zu verstehen, die den Multiples Ende der 1960er Jahre zukam, sei auf die Fernsehproduktion Konsumkunst – Kunstkonsum verweisen, die am 17. Oktober 1968 unter der Regie von Gerry Schum in Zusammenarbeit mit Bernhard Höke und Hannah Weitemeier als Auftragsproduktion für den Westdeutschen Rundfunk entstand.  
  4. Zu Maciunas’ Flux-Kits und Flux-Boxen siehe Julia Robinson, „Multiple Manifestations. Nouveau Réalisme and Fluxus“, in: The Small Utopia. Ars Multiplicata, Mailand 2012, S. 137. 
  5. Jörg Schellmann (Hrsg.), Joseph Beuys. Die Multiples, Werkverzeichnis der Auflagenobjekte und Druckgraphik 1965–1986, München, New York 1997, S. 9. 

 

 

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